Mitspracherecht bei Entscheidungen über Inklusion gefordert

Behindertenhilfe

Sind Werkstätten für Menschen mit Behinderung das Richtige? Oder ist der freie Arbeitsmarkt besser.

Am 27. Juli 2023 hatten die Ulrichswerkstätten Aichach im Vorfeld der Landtagswahl zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, bei der unter anderem diese Fragen erörtert wurde. Eingeladen waren Vertreter*innen verschiedener politischer Parteien aus Kommune, Bezirk und Land, die sich den Fragen der betroffenen Werkstattmitarbeiter*innen stellten.

Bernhard Gattner, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Caritasverbands der Diözese Augsburg und Benjamin Mutzbauer, zweiter Vorsitzender des Werkstattrats in Aichach führten im vollbesetzten Saal durch die Debatte. Sie starteten gleich zu Beginn mit der Frage: „Wie stehen Sie und Ihre Partei zu Werkstätten für Menschen mit Behinderung?“.

Die Teilnehmer*innen der Diskussion waren sich von Beginn an in zwei Punkten einig: Die Werkstätten für Menschen mit Behinderung sollen weiterhin bestehen bleiben und Inklusion dürfe nicht unter Zwang erfolgen. Wahlfreiheit sei wichtig.

Viele der Beschäftigten haben Sorgen vor einer Schließung der Werkstätten. Grund dafür sind unter anderen Aussagen der Grünen-Europaabgeordneten, Katrin Langensiepen, die die Abschaffung der Werkstätten für Menschen mit Behinderung fordert. Ihrer Meinung nach hätten die Menschen dort keine Chance auf den Arbeitsmarkt vorbereitet zu werden. Sie gelten nicht als Arbeitnehmer, haben keinen Anspruch auf Mindestlohn und erhalten ein deutlich geringeres Werkstattentgelt. Das stehe Langensiepen zufolge wirklicher Inklusion entgegen.

Parteikollegin Christina Haubrich distanzierte sich bei der Podiumsdiskussion klar von dieser Meinung, stimmte Langensiepen aber beim Thema Lohn zu. Es müsste mehr Lohn geben. Darin waren sich auch fast alle Anwesenden einig. Allerdings wiesen die Anwesenden auch auf ein Problem hin: Alle Förderungen und Zahlungen, die die Beschäftigten einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung bekommen, werden auf höhere Löhne angerechnet. Am Ende könnte so weniger Geld übrigbleiben. Werkstattrat Mutzbauer forderte von der Politik, dass höhere Löhne von der öffentlichen Hand mitgetragen werden müssten, da die Werkstätten eine Erhöhung nicht allein tragen könnten.

Nicht vergessen darf man auch, dass nur wenigen Beschäftigten der Übergang zum freien Arbeitsmarkt gelingt. Viele kehren nach einer gewissen Zeit dauerhaft in die Werkstätten zurück, da sie sich den hohen Anforderungen dort – längere Arbeitszeiten, Dauerdruck, unflexible Pausenzeiten – nicht gewachsen fühlten. Den behinderten Menschen müsste der Weg zurück offenstehen, betonte Dr. Simone Strohmayr (SPD). Nicht alle sind für den ersten Arbeitsmarkt geeignet, statistisch sind es bisher nur unter ein Prozent der behinderten Menschen. Gegebenenfalls sei es „viel sinnvoller, wenn die Leute hier im geschützten Raum arbeiten dürfen“, sagte Maria Posch (ÖDP).

„So viel Inklusion wie möglich, so viel Förderung wie nötig“, wünscht sich Bürgermeister Klaus Habermann. Er selbst würde die Zahl der beschäftigten Menschen mit Behinderung bei der Stadt Aichach – derzeit 20 – gerne erhöhen und sich dazu in den Austausch mit den Ulrichswerkstätten begeben. Auch weitere Anwesende wollen selbst unterstützend tätig werden.

Bernhard Gattner beendete nach knapp drei Stunden die Veranstaltung mit dem Resümee: „Eigentlich ist die Auflösung der Werkstätten kein Thema, aber es beschäftigt die Menschen hier.“

 

Titelbild: Der voll besetzte Saal zeigt, wie wichtig das Thema für die Beschäftigten der Ulrichswerkstätten ist und wie groß das Interesse an der Diskussion war. Foto: CAB Behindertenhilfe

 

(von links) Simon Kuchlbauer (AfD), Klaus Habermann (Bürgermeister Aichach), Marc Sturm (Freie Wähler), Tomas Zinnecker (CSU), Simone Strohmayr (SPD), Christina Haubrich (Die Grünen), Julika Sandt (FDP), Peter Tomaschko (CSU), Maria Posch (ÖDP), Edgar Rölz (CSU) und Benjamin Mutzbauer (Werkstattrat, stehend rechts) diskutierten in Aichach. Foto: CAB Behindertenhilfe
Zurück